§ 72.
Auf Sachverständige ist der sechste Abschnitt über Zeugen entsprechend
anzuwenden, soweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende
Vorschriften getroffen sind.
§ 73.
(1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer
Anzahl erfolgt durch den Richter. Er soll mit diesen eine Absprache treffen,
innerhalb welcher Frist die Gutachten erstattet werden können.
(2) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich
bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere
Umstände es fordern.
§ 74.
(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines
Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch
nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen
worden ist.
(2) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und
dem Beschuldigten zu. Die ernannten Sachverständigen sind den zur Ablehnung
Berechtigten namhaft zu machen, wenn nicht besondere Umstände
entgegenstehen.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; der Eid ist als Mittel der
Glaubhaftmachung ausgeschlossen.
§ 75.
(1) Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten,
wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt
ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren
Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt
oder wenn er zu ihrer Ausübung öffentlich bestellt oder ermächtigt ist.
(2) Zur Erstattung des Gutachtens ist auch der verpflichtet, welcher sich
hierzu vor Gericht bereiterklärt hat.
§ 76.
(1) Dieselben Gründe, die einen Zeugen berechtigen, das Zeugnis zu
verweigern, berechtigen einen Sachverständigen zur Verweigerung des
Gutachtens. Auch aus anderen Gründen kann ein Sachverständiger von der
Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens entbunden werden.
(2) Für die Vernehmung von Richtern, Beamten und anderen Personen des
öffentlichen Dienstes als Sachverständige gelten die besonderen
beamtenrechtlichen Vorschriften. Für die Mitglieder der Bundes- oder einer
Landesregierung gelten die für sie maßgebenden besonderen Vorschriften.
§ 77.
(1) Im Falle des Nichterscheinens oder der Weigerung eines zur Erstattung
des Gutachtens verpflichteten Sachverständigen wird diesem auferlegt, die
dadurch verursachten Kosten zu ersetzen. Zugleich wird gegen ihn ein
Ordnungsgeld festgesetzt. Im Falle wiederholten Ungehorsams kann neben der
Auferlegung der Kosten das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt werden.
(2) Weigert sich ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter
Sachverständiger, nach § 73 Abs. 1 Satz 2 eine angemessene Frist
abzusprechen, oder versäumt er die abgesprochene Frist, so kann gegen ihn
ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Der Festsetzung des Ordnungsgeldes muß
eine Androhung unter Setzung einer Nachfrist vorausgehen. Im Falle
wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt
werden.
§ 78.
Der Richter hat, soweit ihm dies erforderlich erscheint, die Tätigkeit der
Sachverständigen zu leiten.
§ 79.
(1) Der Sachverständige kann nach dem Ermessen des Gerichts vereidigt
werden. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des
Verteidigers ist er zu vereidigen.
(2) Der Eid ist nach Erstattung des Gutachtens zu leisten; er geht dahin,
daß der Sachverständige das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen
und Gewissen erstattet habe.
(3) Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der
betreffenden Art im allgemeinen vereidigt, so genügt die Berufung auf den
geleisteten Eid.
§ 80.
(1) Dem Sachverständigen kann auf sein Verlangen zur Vorbereitung des
Gutachtens durch Vernehmung von Zeugen oder des Beschuldigten weitere
Aufklärung verschafft werden.
(2) Zu demselben Zweck kann ihm gestattet werden, die Akten einzusehen, der
Vernehmung von Zeugen oder des Beschuldigten beizuwohnen und an sie
unmittelbar Fragen zu stellen.
§ 80a.
Ist damit zu rechnen, daß die Unterbringung des Beschuldigten in einem
psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder in der
Sicherungsverwahrung angeordnet werden wird, so soll schon im Vorverfahren
einem Sachverständigen Gelegenheit zur Vorbereitung des in der
Hauptverhandlung zu erstattenden Gutachtens gegeben werden.
§ 81.
(1) Zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des
Beschuldigten kann das Gericht nach Anhörung eines Sachverständigen und des
Verteidigers anordnen, daß der Beschuldigte in ein öffentliches
psychiatrisches Krankenhaus gebracht und dort beobachtet wird.
(2) Das Gericht trifft die Anordnung nach Absatz 1 nur, wenn der
Beschuldigte der Tat dringend verdächtig ist. Das Gericht darf diese
Anordnung nicht treffen, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu
erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer
Verhältnis steht.
(3) Im vorbereitenden Verfahren entscheidet das Gericht, das für die
Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig wäre.
(4) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig. Sie hat
aufschiebende Wirkung.
(5) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach Absatz 1
darf die Dauer von insgesamt sechs Wochen nicht überschreiten.
§ 81a.
(1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung
von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind.
Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche
Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu
Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten
zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.
(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des
Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und
ihren Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu.
§ 81b.
Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die
Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und
Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und
Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.
§ 81c.
(1) Andere Personen als Beschuldigte dürfen, wenn sie als Zeugen in Betracht
kommen, ohne ihre Einwilligung nur untersucht werden, soweit zur Erforschung
der Wahrheit festgestellt werden muß, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte
Spur oder Folge einer Straftat befindet.
(2) Bei anderen Personen als Beschuldigten sind Untersuchungen zur
Feststellung der Abstammung und die Entnahme von Blutproben ohne
Einwilligung des zu Untersuchenden zulässig, wenn kein Nachteil für seine
Gesundheit zu befürchten und die Maßnahme zur Erforschung der Wahrheit
unerläßlich ist. Die Untersuchungen und die Entnahme von Blutproben dürfen
stets nur von einem Arzt vorgenommen werden.
(3) Untersuchungen oder Entnahmen von Blutproben können aus den gleichen
Gründen wie das Zeugnis verweigert werden. Haben Minderjährige oder Betreute
wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen
Behinderung von der Bedeutung ihres Weigerungsrechts keine genügende
Vorstellung, so entscheidet der gesetzliche Vertreter; § 52 Abs. 2 Satz 2
und Abs. 3 gilt entsprechend. Ist der gesetzliche Vertreter von der
Entscheidung ausgeschlossen (§ 52 Abs. 2 Satz 2) oder aus sonstigen Gründen
an einer rechtzeitigen Entscheidung gehindert und erscheint die sofortige
Untersuchung oder Entnahme von Blutproben zur Beweissicherung erforderlich,
so sind diese Maßnahmen nur auf besondere Anordnung des Richters zulässig.
Der die Maßnahmen anordnende Beschluß ist unanfechtbar. Die nach Satz 3
erhobenen Beweise dürfen im weiteren Verfahren nur mit Einwilligung des
hierzu befugten gesetzlichen Vertreters verwertet werden.
(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 sind unzulässig, wenn sie dem
Betroffenen bei Würdigung aller Umstände nicht zugemutet werden können.
(5) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des
Untersuchungserfolges durch Verzögerung, von den Fällen des Absatzes 3 Satz
3 abgesehen, auch der Staatsanwaltschaft und ihren Hilfsbeamten (§ 152 des
Gerichtsverfassungsgesetzes) zu.
(6) Bei Weigerung des Betroffenen gilt die Vorschrift des § 70 entsprechend.
Unmittelbarer Zwang darf nur auf besondere Anordnung des Richters angewandt
werden. Die Anordnung setzt voraus, daß der Betroffene trotz Festsetzung
eines Ordnungsgeldes bei der Weigerung beharrt oder daß Gefahr im Verzuge
ist.
§ 81d.
(1) Kann die körperliche Untersuchung einer Frau das Schamgefühl verletzen,
so wird sie einer Frau oder einem Arzt übertragen. Auf Verlangen der zu
untersuchenden Frau soll eine andere Frau oder ein Angehöriger zugelassen
werden.
(2) Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn die zu untersuchende Frau in die
Untersuchung einwilligt.
§ 82.
Im Vorverfahren hängt es von der Anordnung der Richters ab, ob die
Sachverständigen ihr Gutachten schriftlich oder mündlich zu erstatten haben.
§ 83.
(1) Der Richter kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch
andere Sachverständige anordnen, wenn er das Gutachten für ungenügend
erachtet.
(2) Der Richter kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen
anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit
Erfolg abgelehnt ist.
(3) In wichtigeren Fällen kann das Gutachten einer Fachbehörde eingeholt
werden.
§ 84.
Der Sachverständige wird nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen
und Sachverständigen entschädigt.
§ 85.
Soweit zum Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung
eine besondere Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen zu vernehmen
sind, gelten die Vorschriften über den Zeugenbeweis.
§ 86.
Findet die Einnahme eines richterlichen Augenscheins statt, so ist im
Protokoll der vorgefundene Sachbestand festzustellen und darüber Auskunft zu
geben, welche Spuren oder Merkmale, deren Vorhandensein nach der besonderen
Beschaffenheit des Falles vermutet werden konnte, gefehlt haben.
§ 87.
(1) Die Leichenschau wird von der Staatsanwaltschaft, auf Antrag der
Staatsanwaltschaft auch vom Richter, unter Zuziehung eines Arztes
vorgenommen. Ein Arzt wird nicht zugezogen, wenn dies zur Aufklärung des
Sachverhalts offensichtlich entbehrlich ist.
(2) Die Leichenöffnung wird von zwei Ärzten vorgenommen. Einer der Ärzte muß
Gerichtsarzt oder Leiter eines öffentlichen gerichtsmedizinischen oder
pathologischen Instituts oder ein von diesem beauftragten Arzt des lnstituts
mit gerichtsmedizinischen Fachkenntnissen sein. Dem Arzt, welcher den
Verstorbenen in der dem Tod unmittelbar vorausgegangenen Krankheit behandelt
hat, ist die Leichenöffnung nicht zu übertragen. Er kann jedoch aufgefordert
werden, der Leichenöffnung beizuwohnen, um aus der Krankheitsgeschichte
Aufschlüsse zu geben. Die Staatsanwaltschaft kann an der Leichenöffnung
teilnehmen. Auf ihren Antrag findet die Leichenöffnung im Beisein des
Richters statt.
(3) Zur Besichtigung oder Öffnung einer schon beerdigten Leiche ist ihre
Ausgrabung statthaft.
(4) Die Leichenöffnung und die Ausgrabung einer beerdigten Leiche werden vom
Richter angeordnet; die Staatsanwaltschaft ist zu der Anordnung befugt, wenn
der Untersuchungserfolg durch Verzögerung gefährdet würde. Wird die
Ausgrabung angeordnet, so ist zugleich die Benachrichtigung eines
Angehörigen des Toten anzuordnen, wenn der Angehörige ohne besondere
Schwierigkeiten ermittelt werden kann und der Untersuchungszweck durch die
Benachrichtigung nicht gefährdet wird.
§ 88.
Vor der Leichenöffnung ist, wenn nicht besondere Hindernisse entgegenstehen,
die Persönlichkeit des Verstorbenen, insbesondere durch Befragung von
Personen, die den Verstorbenen gekannt haben, festzustellen. Ist ein
Beschuldigter vorhanden, so ist ihm die Leiche zur Anerkennung vorzuzeigen.
§ 89.
Die Leichenöffnung muß sich, soweit der Zustand der Leiche dies gestattet,
stets auf die Öffnung der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle erstrecken.
§ 90.
Bei Öffnung der Leiche eines neugeborenen Kindes ist die Untersuchung
insbesondere auch darauf zu richten, ob es nach oder während der Geburt
gelebt hat und ob es reif oder wenigstens fähig gewesen ist, das Leben
außerhalb des Mutterleibes fortzusetzen.
§ 91.
(1) Liegt der Verdacht einer Vergiftung vor, so ist die Untersuchung der in
der Leiche oder sonst gefundenen verdächtigen Stoffe durch einen Chemiker
oder durch eine für solche Untersuchungen bestehende Fachbehörde
vorzunehmen.
(2) Es kann angeordnet werden, daß diese Untersuchung unter Mitwirkung oder
Leitung eines Arztes stattzufinden hat.
§ 92.
(1) Liegt der Verdacht einer Geld- oder Wertzeichenfälschung vor, so sind
das Geld oder die Wertzeichen erforderlichenfalls der Behörde vorzulegen,
von der echtes Geld oder echte Wertzeichen dieser Art in Umlauf gesetzt
werden. Das Gutachten dieser Behörde ist über die Unechtheit oder
Verfälschung sowie darüber einzuholen, in welcher Art die Fälschung
mutmaßlich begangen worden ist.
(2) Handelt es sich um Geld oder Wertzeichen eines fremden Währungsgebietes,
so kann an Stelle des Gutachtens der Behörde des fremden Währungsgebietes
das einer deutschen erfordert werden.
§ 93.
Zur Ermittlung der Echtheit oder Unechtheit eines Schriftstücks sowie zur
Ermittlung seines Urhebers kann eine Schriftvergleichung unter Zuziehung von
Sachverständigen vorgenommen werden.
converted with guide2html by Kochtopf